Das immer gleiche Setting prägt die Serie Lichter der Künstlerin Sandra Hilleckes.
Auf den ersten Blick erfasst man eine absurde Bühnensituation mit frontaler Scheinwerferausleuchtung. Der Betrachter würde geblendet, wären die zahlreichen in strengen Reihen ausgerichteten Bühnenscheinwerfer im Bühnenhintergrund auf volle Wattzahl hochgeregelt.
In dem präsentierten abgedimmten Zustand allerdings gewähren sie den Blick auf eine scheinbare Eisfläche, die zumeist die Hälfte des Bildes einnimmt.
Diese Inszenierung des Bildraumes für sich genommen wirkt schon befremdlich. Was für ein Ort soll das sein? Holiday on Ice fällt aus, denn sämtliche Protagonisten in den jeweiligen Einzelwerken der Serien scheinen aus ihren Ursprungskontexten herausgelöst und in diesen seltsamen außerirdischen Raum gebeamt worden zu sein, zudem gänzlich ohne Schlittschuhe.
Die Arbeiten von Sandra Hilleckes muten verwirrend surreal an. Surreal nicht im Sinne von Dalís merkwürdigen Kreaturen oder seltsamen Materialbeschaffenheiten - etwa seine spinnenbeinigen Elefanten oder zerfließenden Uhren -, sondern surreal in einem subtileren Sinn, ähnlich dem René Magrittes. Einfach erreicht durch leise Verschiebungen wie in Magrittes Bild Empire of Lights. In der unteren Bildhälfte schaut man auf eine scheinbar reale nächtliche Szenerie, auf den ersten Blick nichts Ungewöhnliches. Ein leises Unbehagen schleicht sich erst ein, wenn man des Taghimmels gewahr wird, der die beschauliche nächtliche Szenerie überspannt.
Hilleckes menschliche und auch tierische Protagonisten erlangen die Wirkung der leisen Verschiebung, indem sie ihre Handlungen, welche sie in ihren angenommenen Ursprungswelten im Begriff waren zu tun, unbeeindruckt fortführen.
Beispielsweise der ältere Herr mit Zigarre, der gerade seinen Klappstuhl aufstellt. In welchem geeigneteren Szenario möchte man ihn eigentlich unterbringen? In seinem Garten, zum Feierabend noch ein lauschiges Stündchen genießend, oder stellt er bei einer Familienfeier noch einen weiteren Stuhl für einen unerwarteten Gast bereit?
Auch der Herr mit Gepäck, den Blick konzentriert auf sein Mobiltelefon gerichtet, scheint es ganz normal zu finden, samt ad absurdum geführten Personenleitsystem auf einer theaterhaft ausgeleuchteten Eisfläche auf seinen Flug zu warten.
Sowohl Stockente als auch Rotwild verhalten sich ihrer Natur gemäß. Für erstere gehört eine zugefrorene Eisfläche sogar zum natürlichen Lebensraum. Dass dieser nun zur Bühne wird, scheint auch für sie kein Anlass zur Aufregung. Unbeirrt watschelt sie in den Vordergrund, während Hirsch und dazugehörige Rehe und Kitze in einem anderen Bild auf der Suche nach einem geeigneten Platz zum Äsen sind.
Leicht ist man versucht, für Hilleckes Vorgehen Parallelen zum brechtschen Verfremdungseffekt zu suchen. In ihren Bildern wird die Illusion des Zuschauers indes nicht durch Kommentare oder Lieder zerstört, sondern durch den Kunstgriff der Kontextverschiebung erst angeregt und sichtbar.
Genau wie bei Brecht jedoch beginnt hier der eigentliche intellektuelle Prozess.
Hilleckes lässt dem Betrachter vertraute Dinge in einem neuen Licht erscheinen und macht so Widersprüche in der Realität sichtbar, um eine kritischere und bewusstere Wahrnehmung des Gezeigten zu ermöglichen.
Bettina Todorow
Master of Arts - Berlin